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 Forschung aktuell | Computer und Kommunikation

28.04.2003
Zip mir ein Lied
Niederländische Wissenschaftler erkennen Musik an der Komprimierung.

Fast jeder hat solch ein Stück Software auf seinem Rechner, ein Zip-Tool. Ein klug ausgedachter Algorithmus sucht nach Redundanzen in einer Datei und packt sie dann platzsparend zusammen. Niederländische Wissenschaftler sind jetzt darauf gekommen, dass sich dieser Algorithmus auch für ganz andere Zwecke einsetzen lässt. Mit seiner Hilfe untersuchen sie Musik. Das Kompressionsprogramm findet heraus, ob es sich bei einem Stück um Jazz, Rock oder Klassik handelt.

Von Achim Killer

Was für den normalen Radiohörer kein Problem ist, kann der Computer nicht ohne weiteres: Musikrichtungen unterscheiden. Also beispielsweise erkennen, dass es sich bei "All Blues" von Miles Davis um Jazz handelt, und das das etwas anders ist als "All along the Watchtower" von Jimi Hendrix. Genau das aber haben die drei Wissenschaftler Rudi Cilibrasi, Professor Paul Vitanyi und Dr. Ronald de Wolf vom Dutch National Research Institute in Amsterdam dem Rechner beigebracht. Es funktioniert mit Hilfe von Allerwelts-Tools, Kompressionsprogrammen wie beispielsweise Winzip. Das heißt, die holländischen Wissenschaftler haben das Linux-Werkzeug bzip2 genommen. Und damit haben sie quasi als Referenz ein Stück jeder Stilrichtung komprimiert und dann dasselbe Stück zusammen mit jeweils einem weiteren, einem der gleichen oder einem einer anderen Richtung. Und danach war es dem Rechner möglich, Miles Davis von Jimi Hendrix und Ludwig van Beethoven zu unterscheiden.

Der erstaunliche Effekt ist relativ einfach zu erklären. Kompressionswerkzeuge arbeiten dann besonders effektiv, wenn sie es mit möglichst ähnlichen Dateien zu tun haben. "Star Spangled Banner" lässt sich dichter packen als "Hey Joe" und die Schicksalssymphonie. Und dadurch ist der Rechner dann in der Lage, Übereinstimmungen im Stil zu identifizieren. Etwas, was sich beispielsweise im Online-Handel nutzbringend anwenden ließe, wie einer der Forscher meint, die diesen Effekt entdeckt haben. Dazu Dr. Ronald de Wolf:

Na ja, Musik dergestalt zu gruppieren, dass ähnliche Stücke in Gruppen zusammengefasst werden, ist etwas, was bereits getan wird. Web-Sites wie Amazon.com und andere empfehlen einem ja, wenn man eine bestimmte CD kauft, daß einem bestimmte andere dann sicherlich auch gefallen würden. Auf diesen Web-Sites existiert jeweils bereits eine umfassende Zusammenstellung ähnlicher Musikstücke. Und sowas ist kommerziell sehr nützlich. Aber die Zusammenstellung erfolgt meist manuell. Das könnte man jedoch automatisch erledigen. Das wäre eine mögliche Anwendung, die automatische Gruppierung von Musikstücken, so dass ähnliches automatisch entdeckt wird.

Bereits vor einem Jahr hatten italienische Forscher eine ähnlich erstaunliche Entdeckung gemacht. Sie hatten herausbekommen, dass man mit Hilfe von Kompressionswerkzeugen Sprachen analysieren kann - mit derselben Methode. Wenn sich mehrere Texte zusammen gut komprimieren lassen, dann liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei, um verwandte Sprachen handelt. Also Texte in verschiedenen romanischen Sprachen lassen sich dichter zusammenpacken als es der Fall wäre, wenn noch ein deutscher oder ein englischer dabei wäre. hundertprozentig sicher ist die Methode natürlich nicht. Aber Sprachwissenschaftler wenden sie an, um ihre Forschungsgegenstände grob vorzusortieren. Und auch in der Musikwissenschaft setzen einige jetzt große Hoffnungen auf die zip-Tools. So hat Science überlegt, ob sich nicht damit, das Geheimnis um Mozarts Requiem lösen ließe, ein Stück, das der jung gestorbene Komponist nicht selbst vollenden konnte.

Das Requiem von Mozart wurde von Süssmayr fertiggeschrieben. Und es ist unklar, inwieweit er Mozarts Vorgaben gefolgt ist, oder ob er die letzten Teile des Requiems selbständig komponiert hat. Unsere Methode wäre prinzipiell in der Lage das zu klären. Man könnte das Requiem nehmen, einige Mozart-Stücke und einige Süssmayer-Stücke und dann schauen, ob der Schluss des Requiems näher bei Mozart oder bei Süssmayr liegt. Wir könnten das tun. Aber es gibt nicht sehr viele Süssmayer-Stücke, um den Vergleich durchzuführen, zumindest nicht im Midi-Format.

Ja, und daran liegt es, dass eine der ganz großen Fragen der Musikgeschichte jetzt doch nicht mit Hilfe von einen Stückchen Freeware beantwortet werden kann.

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